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Dr. Axel Kwet
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Presse

Esslinger Zeitung (12.08.2004) und Cannstatter Zeitung (14.08.2004): Unbekannten Fröschen auf der Spur

VON ROLAND KURZ

Sie sind grün, können gut hüpfen und machen "quaak". Viel mehr weiß Otto Normal nicht über den Frosch. Axel Kwet kann dagegen stundnIang von Fröschen erzählen: über ihre Farben, ihre Geräusche, ihre Gifte. Axel Kwet ist von Beruf Froschforscher. Ein Froschmotiv ziert sogar seine Armbanduhr. Der Mann mit Zopf arbeitet am Rosensteinmuseum Stuttgart und fliegt mehrmals im Jahr nach Brasilien, um im Urwald unbekannte Frosch-Arten zu entdecken. Das ist nicht ganz so schwer, denn schätzungsweise ein Drittel der Froscharten ist unbekannt, zumindest wissenschaftlich noch nicht erfasst und beschrieben.
Der 39-jährige Kwet ist groß. und kräftig, könnte es durchaus mit größeren Tieren aufnehmen. Aber mit sieben Jahren fing klein Axel an, sich für Amphibien zu interessieren. Die Patentante schenkte ihm damals ein Aquarium, und Mama ekelte sich nicht vor Lurchi und Unkerich, sondern unterstützte das Hobby. Garten und Bach hinterm Haus in Esslingen-Hegensberg waren ein ideales Gelände für das Unternehmen "Jugend erforscht Molche, Eidechsen, Blindschleichen und Kröten". Einen Feuersalamander aus dem Körschtal hat er 20 Jahre lang im Terrarium gehalten. Am Ende der Schulzeit hatte Kwet 25 Aquarien und Terrarien.

Kindertraum Dino-Forscher
"Als Schüler wollte ich immer Dinosaurier-Forscher werden", erinnert sich Kwet, später lockten ihn mehr die lebendigen Tiere. Vom Bio-Leistungskurs führte der Weg zum Biologiestudium mit Schwerpunkt Zoologie in Tübingen. Die Krötenwandenmgen am Federsee lieferten den Stoff für die Diplomarbeit. Und dann kam die Gelegenheit: ein Tübinger Professor lud ihn zur Mitarbeit im Projekt Araukarienwald in Brasilien ein. Diese Pinienart liefert sehr gutes Holz und ist zu 95 Prozent schon abgeholzt und durch Fichten-Monokulturen ersetzt worden. 1995 flog Kwet erstmals nach Brasilien. In drei Monaten entdeckte er 20 Froscharten, inzwischen ist er bei 33 Neuentdeckungen. In Deutschland gibt es nur 14 Froscharten. Unerforschte Arten sind der Stoff, aus dem Kwet seine Doktorarbeit herstellte. In einer kleinen Hütte am Rand des Araukarienwal-des saß Doktorand Kwet wochenlang ohne Strom, ohne ffießend Wasser, ohne Telefon - "bibbernd und Araukarienkerne vespernd".

Computer und Calpirinha
Der Komfort am Rand des Urwalds ist gestiegen. Mit Unterstützung der Stiftung "Geo schützt den Regenwald" und dem passenden Sponsor, Stihl-Motorsägen, wurde eine Station zur Erforschung des Naturparks Pró Mata aufgebaut. "Fast eine Nobelherberge", ist Kwet mit dem repräsentativen Bau zufrieden: Computer, Telefon und Caipirinha. Und mit dem geländegängigen Bundeswehr-Iltis sind die schlechten Wege zwischen den Laichgewässern kein Problem mehr. Kaum angenehmer sind aber die Nachtschichten im feuchten Urwald geworden. Mit Kamera, Stirnlampe, Fanggefäßen, Tonbandgerät und Richtmikrofon macht sich der Froschforscher auf Tour. In langen Hüftstiefeln stapft er von Tümpel zu Tümpel. Bis 4 Uhr morgens, wenn die Frösche müde werden, ist Kwet nachtaktiv. Er nimmt die Geräusche auf, denn Frösche machen keineswegs nur Quaak, sondern melden sich auf unterschiedlichen Frequenzen und rufen unterschiedlich lange. "Am Ruf kann man die Arten eindeutig unterscheiden", erklärt Kwet. Sonogramme sind eine wertvolle Bestimmungshilfe. Ungefährlich ist die Froschsuche nicht. Wenn der Nebel durch den Urwald wabert, fällt die Orientierung schwer. Kwet ist schon mal "ganz schön heiß geworden", als er von Tümpel zu Tümpel irrte. Einmal ist er fast zu Tode erschrocken. Etwa fünf Meter hinter ihm - Kwet nahm gerade Gequake auf - hörte er ein bedrohliches Fauchen. Mit einem Satz sprang der Froschmann forsch in den Tümpel. Ob es ein Puma war oder nur ein kleiner Schakal, weiß Kwet bis heute nicht. "Gesehen habe ich nichts, aber es war sehr gruselig. Giftschlangen gibt es auch vier Arten im Araukarienwald. Die seien aber "nicht so das Problem", meint Kwet, um dann gleich zu erzählen, welch "Riesenglück" er hatte, als er seinen Fuß fünf Zentimeter neben eine Lanzenotter setzte. Eine andere Schlange half Kwet, eine neue Froschart zu finden.

Schlange spuckt neue Froschart aus
Neben einem Wasserfall wollte Kwet die Schlange fangen. Die fühlte sich im Forschergriff aber nicht wohl und würgte ihre Beute heraus. Darunter war, neben fünf lebenden Jungkröten, auch ein recht gut erhaltenes Exemplar eines bis dato unbekannten Ur-Hornfrosches. Auf das Abenteuer folgt zu Hause die wissenschaftliche Pflicht. Von jeder neu entdeckten Froschart muss ein Exemplar als Holotyp, als Muster, ins Museum gestellt werden. Kwet ordnet die neu entdeckte Art in das hierarchisch gegliederte Gesamtsystem - eine Arbeit, mit der das Rosensteinmuseuxn zur internationalen Biodiversitätsforschung beiträgt. Ein halbes Jahr dauert es, bis eine Froschart beschrieben, wissenschaftlich anerkannt und publiziert ist. Die Pharmaindustrie ist auf die Ergebnisse der Froschforscher erpicht. Es sei vorstellbar, erzählt Kwet, dass Froschgifte für die Arzneimittelforschung nützlich sei. Hautgifte haben alle Frösche, auch der deutsche Grasfrosch, aber in geringer Konzentration. Dann gibt es die Pfeilgift-Frösche, die sich Indios für die Jagd nutzbar machten. Sie können hochtoxisch sein, vergleichbar mit dem japanischen Kugelfisch. Ein Froschgift ist mit Morphin vergleichbar, bloß hundertfach stärker. Amazonasvölker nutzen dieses Froschgift als Mittel zur Stärkung. Ein Kollege, so berichtet Kwet, sei nach dem Selbsttest wochenlang wie hochgepuscht herumgelaufen.

Potenzial für Arznei
"In den Tieren steckt ein hohes Potenzial", ist der Wissenschaftler überzeugt. Bei der Froschjagd fühlt er sich durch die Gifte nicht gefährdet. Das Pfeilgift dürfe nur nicht in die Blutbahn kommen, man dürfe sich nicht die Augen reiben oder es an verletzte Haut bringen. Frösche setzen auf Gift um Feinde abzuwehren. Säugetiere spucken sie wieder aus. In erster Linie, das wissen die Forscher inzwischen, ist das Gift dazu da, die feuchte Haut vor Pilzbefall und Bakterien zu schützen. Kwet sieht seine Arbeit als Beitrag zur ökologischen Grundlagenforschung im Araukarienwald. Anhand von Nahrungsuntersuchungen versucht er die Rolle von Fröschen und Vögeln im Urwald zu klären. Frösche vertilgen Spinnen, Wanzen und Moskitos und sind Nahrungsquelle von Vögeln. Wenn bestimmte Bäume verschwinden und andere nachgepflanzt werden "verschiebt sich die Artengemeinschaft", erklärt Kwet. Er kooperiert mit der Fachhochschule Rottenburg, die den Urwald wleder aufforsten will. Nach neun Jahren der Beobachtung sehe er gewisse Tendenzen, aber man müsse mit Schlüssen vorsichtig sein. In einem Jahr sei ein Tümpel ausgetrocknet, eine Art fast verschwunden, im nächsten tauchen wieder tausende Frösche auf. Wahrscheinlich, so sein Fazit nach einem Kolloquium in Brasilien, habe die Klimaerwärmung und vor allem die UV-Belastung Auswirkungen auf die Zahl der Frösche, aber - "das Froschsterben gibt es nicht".

FROSCH ODER KRÖTE?
Etwa 4800 Arten Froschlurche ("Schwanzlose") sind bekannt. Frösche sind glatthäutig, feucht und langbeinig, Kröten haben in der Regel warzige, trockene Haut und kurze Beine. Die Zuordnung ist nicht immer einfach, der Wissenschaftler unterscheidet letztlich nicht zwischen diesen beiden Gruppen.
- Buchtipp: Frösche und Co. von Axel Kwet und Andreas Schlüter. Für 7 Euro im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart (Rosensteinmuseum) erhältlich.
- www.kwet.de